Hey, hallo und willkommen zurück beim zweiten Teil meiner Serie „Wie du dir Großbritannien nach Hause holst“. Du hast also immer noch Fernweh nach der Insel oder inzwischen Spaß daran gefunden, ein paar britische Gewohnheiten in deinen Alltag einzubauen? Dann mal los. Heute geht es eher um „geistige“ Nahrung, also darum, wie du dir Großbritannien mit Büchern und Filmen nach Hause holst. Wir können ja nicht schon wieder Unmengen an Kuchen essen. Oder doch???

Britische Bettlektüre

Lesen ist für mich die schnellste, zuverlässigste und zugleich einfachste Möglichkeit, in andere Welten abzutauchen. Als Kind habe ich Harry Potter in Dauerschleife gelesen, weil ich aus Hogwarts nicht ausziehen wollte. Mangels Englandurlaubs kommt diese Taktik nun wieder zum Einsatz. Aktuell bin ich in meinem vierten Jahr an der Schule für Zauberei und Hexerei…

Muggeltauglich aber trotzdem sehr magisch finde ich die Bestseller von Jane Austen und den Brontë-Schwestern Anne, Emily und Charlotte. Sie sind die Fahrkarte ins England des Viktorianischen Zeitalters, zu den Ursprüngen der Herrenhäuser, Piers, Badeorte und Traditionen, die bis heute charakteristisch für England sind. Kleiner Exkurs: Jane Austens „Stolz und Vorurteil“ war 2008 der Auslöser für meine allererste Englandreise. Mit dem Zug reisten wir von London nach Bath und von dort aus sehr umständlich mit zigfachem Umsteigen (und ständiger Sorge in irgendeinem Kaff den Anschluss zu verpassen) auf die Lizard-Halbinsel. Im Fischerort Coverack hatten wir ein Dachzimmer in der Jugendherberge, in dem wir vom Bett aus aufs Meer schauen konnten. Ein echter Glücksgriff. Handyempfang gab es dagegen im ganzen Ort nur an der Hafenpromenade. Im alten Lifeboat-House wurde ab mittags fangfrischer Fisch liebevoll zu Fish-and-Chips verarbeitet und ganz traditionell in Zeitungspapier über den Tresen gereicht. Britischer geht es kaum, aber ob Druckerschwärze auf Dauer so gesund ist…

Viel zu lange im Schrank warten musste der Briefroman „The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society“ von Mary Ann Shaffer. Trotz einer sehr netten Widmung haben mich der sperrige Titel und die Aussicht auf nur Briefwechsel gut zehn Jahre lang abgeschreckt. Irgendwann hab ich dem ganzen dann doch eine Chance gegeben – und es gleich noch mal von vorn gelesen. Es ist eines meiner Lieblingsbücher wegen seiner wunderbaren Charaktere und den spannenden, aber auch sehr ergreifenden geschichtlichen Einblicken in die Kriegs- und Nachkriegszeit in London und Guernsey. Hauptfigur ist die Londoner Autorin Juliet Ashton. Auf der Suche nach einem neuen Thema für ihren Herausgeber stößt sie auf einen Buchclub in Guernsey. Ein reger Briefwechsel mit den Clubmitgliedern beginnt, bis sie schließlich nach Guernsey reist, um ihre Brieffreunde persönlich zu treffen.

Ins London des 21. Jahrhunderts kommt man ganz schnell und sehr unterhaltsam mit der Buchreihe „Rivers of London“ von Ben Aaronovitch. Constable Peter Grant klärt für die Metropolitan Police Verbrechen von Geistern, Vampiren und anderen übernatürlichen Wesen auf. Unterstützt wird er dabei von seinem wunderlichen Vorgesetzten Nightingale, einem der letzten offiziell ausgebildeten Zauberer. Die Handlung ist zum Teil etwas schräg, aber unglaublich kurzweilig. Der erste von inzwischen acht Bänden ist mir in Gatwick am Flughafen wegen seines außergewöhnlichen grafischen Covers ins Auge gesprungen. Ich war für ein Vorsingen ein paar Tage in London und hatte in  Hampstead genau in der Straße gewohnt, in der auch der Mord geschah. Zufälle…

Filme und Serien zum Abtauchen

Eigentlich bin ich überhaupt kein Filme- oder Seriengucker – ich hab noch nicht einmal einen Fernseher. Außerdem bin ich sehr wählerisch was Genre, Happy End und Dialoge betrifft. Die folgenden Titel haben es trotz des harten Auswahlverfahrens auf meine Favoritenliste geschafft. Sie sind mein Kurzurlaub in der Countryside oder in London. Am authentischsten sind sie in der Originalsprache, in schweren Fällen muss dann eben der Untertitel mit dazu (Bei Sherlock verstehe ich von den ganzen brillianten Gedankengängen einfach kein Wort.)

 „Pride and Prejudice“ und „Sense and Sensibility“ sind super für einen schön nostalgischen Filmabend: riesige Herrenhäuser in den landschaftlich tollsten Gegenden Englands, in denen elegant gekleidete Herrschaften sich gegenseitig zuerst das Leben schwer machen und am Ende aber trotzdem alle zueinander finden. Damit hat meine Begeisterung für Großbritannien angefangen. Welche der zig Verfilmungen von Jane Austens Romanen das Rennen macht, ist Geschmackssache. Die Filme sind sehr unterschiedlich, was ihre Ausstattung, Charaktere, Bildsprache und Treue zur Romanvorlage betrifft. Meine Favoriten sind die Verfilmungen mit Keira Knightley bzw. mit Emma Thompson und Alan Rickman. Neu hinzugekommen auf meiner Liste ist die Netflix-Serie „Bridgerton„. Das ist quasi eine auf acht Stunden gestreckte Version von „Pride and prejudice“, angereichert mit deutlich mehr Erotik und Gossip. Macht Laune, vorausgesetzt man schaut es mit Gleichgesinnten. Action- und Spannungsfanatiker schnarchen hier vermutlich weg.

Lust auf einen Trip nach London? Zur Wahl stehen der romantische Weihnachtsurlaub mit „Love actually“ oder der etwas ungemütlichere Actiontrip mit Sherlock und Watson. Für Benedict Cumberbatch und Martin Freeman nehme ich sogar in Kauf, dass es bei Sherlock meist viel spannender zugeht, als mir lieb ist.

Fresh air, please

Bevor wir alle vor der Glotze versumpfen, geht es jetzt mal raus an die frische Luft. Es schüttet? Macht nichts, wozu gibt es Gummistiefel. Es stürmt? Umso lustiger. Ich übertreibe maßlos und bestimmt gibt es einige Briten, die bei Sauwetter keinen Fuß vor die Tür setzen. Da das Wetter auf der Insel aber nun mal sehr unberechenbar ist und der Spaziergang schon bei Jane Austen einfach dazu gehörte, ist Regen eigentlich keine Ausrede, um zu Hause auf dem Sofa zu bleiben. Regen- oder Wachsjacken, Gummistiefel, Hut und Schal gehören zur Grundausstattung und haben in größeren Landhäusern sogar ihren eigenen „Mudroom“, eine Garderobe für alles Schlammige. Das hat schon Stil, oder? Seit Jahren liebäugle ich mit einem Paar Hunter-Gummistiefeln, den „Wellies“ schlechthin. Bisher hab ich dann allerdings doch immer aus Angst vor Käsefüßen (und Schnappatmung angesichts des Preises) meine Gore-Tex-Wanderstiefel vorgezogen.

Quiz, Bingo, Board Games

Wer bei Wind und Wetter draußen war, hat sich danach einen schönen heißen Tee und eine Quiz- oder Bingo-Runde verdient. Die Briten lieben ihr Pub-Quiz und seit Corona auch auf die Distanz Online-Quiz oder Radio-Quiz mit Freunden und Familie. Wenn ich mir ein gemütliches Kaminzimmer und eine „Royal Hot Chocolate“ dazu vorstelle, würde ich am liebsten gleich loslegen. Dieser Sahne- und Marshmallow-Berg hat mich nach der Silvesterwanderung auf den Cairngorm in Schottland wieder aufgetaut. Zur heißen Schokolade musste ich mich förmlich durchessen.

So, jetzt sind die England-Akkus hoffentlich wieder aufgeladen. Falls der kleine „Ich-will-aber-nach-England“ immer noch keine Ruhe gibt, verpassen wir ihm eine Ladung Musik oder schleppen ihn zum Einkaufen. Mehr dazu im nächsten Teil der Serie.