Im Süden Englands liegt ein Seebad, das es höchstens als Randnotiz in die Reisekataloge schafft. Dabei hat Bournemouth alles, was das Urlauberherz begehrt. Die größte Stadt der Grafschaft Dorset ist stolze Besitzerin eines zehn Kilometer langen goldenen Sandstrands und umgeben von spektakulärer Natur. Westlich von Bournemouth beginnt die berühmte Jurassic Coast (UNESCO Weltnaturerbe), östlich liegt das archäologisch bedeutsame Naturschutzgebiet Hengistbury Head. Viele Strandabschnitte sind mit der Blue Flag ausgezeichnet und das Wasser ist wärmer als in den meisten Regionen Englands. Wenn im Frühjahr und Sommer der Ginster blüht, leuchtet die Steilküste in sattem Gelb. Ein einmaliger Kontrast dazu sind die dicht bewachsenen Schluchten (Chines), die sich bis an den Strand ziehen.

Vom Hauptpier führen die kunstvoll angepflanzten Lower Gardens direkt ins Stadtzentrum und die Einkaufsstraße. Mit Bachlauf, Liegewiese und Minigolfanlage bieten sie schon einen hohen Freizeitwert. Besonders putzig sind die kleinen Grauhörnchen, die nur darauf warten, dass ihnen jemand eine Nuss spendiert. Einige fressen dafür sogar aus der Hand. Im Zentrum sind die gängigen englischen Marken vertreten, u.a. Clarks oder Waterstones. Schicker und individueller sind die Boutiquen und Läden im Stadtteil Westbourne. Und wer einen ganzen Shoppingtag einlegen will, fährt mit dem Bus zum Castlepoint Shopping Centre.

2007 lebten in Bournemouth einer Umfrage zufolge die glücklichsten Briten. Ein glücklicher Zufall hat mich im Auslandssemester nach Bournemouth verschlagen. Seither besuche ich mindestens einmal im Jahr „meinen“ Strand. Meistens reise ich alleine (dann beschwert sich niemand, wenn ich stundenlang am Strand entlang marschiere). Mit meinem Mann und der Familie meines Bruders habe ich dort aber auch schon eine sehr schöne Woche verbracht und Strandurlaub made in England ausprobiert. Kindgerechte Aktivitäten und Ausflugsziele in der näheren Umgebung gibt es genügend. Wer mit dem Auto unterwegs ist, kann Bournemouth super als Standort nutzen, um den Süden Englands zu erkunden. Für einen Tagesausflus bietet sich die Isle of Wight an. Und ein Abstecher nach London ist auch drin, mit dem Zug sind es knapp 2 Stunden Fahrt bis London Victoria. Ideal, wenn das Wetter mal nicht so strandtauglich ist.

Wie kommt man hin?

Zugegeben, die Anreise ist etwas zeitintensiv und lohnt sich für ein Wochenende in der Regel nicht. Aber wer will schon nur ein Wochenende in Großbritannien Urlaub machen? Ich fliege wenn möglich nach London Heathrow und nehme dann den direkten Fernbus des National Express bis Bournemouth. Die Fahrt dauerte vor Corona mit der schnellsten Verbindung 2h15. Wer im Voraus bucht zahlt für eine Strecke nur 10 Pfund. Weil meine Flüge in der Vergangenheit selten pünktlich waren, rechne ich immer zwei Stunden Puffer am Flughafen ein. Schneller und komfortabler ist es, direkt am Terminal in den Mietwagen zu steigen. Dann kann man nach 1h30 (vorausgesetzt der Verkehr spielt mit) in Bournemouth ins Meer hüpfen.

Ein Strand für jeden Geschmack

Die Hauptattraktion in Bournemouth ist der kilometerlange feine Sandstrand. An ihm kann man stundenlang spazieren gehen, ungestört in der Sonne liegen, baden (im Sommer sogar bei 18°C) oder an der Promenade gemütlich Kaffee trinken und Eis essen. Jeder Strandabschnitt bedient eine andere Zielgruppe. Wer Unterhaltung sucht und gerne seine Zockerleidenschaft ausleben möchte, ist am Pier im Zentrum richtig. Dort stehen die für ein Seebad obligatorischen Spielhallen. Von früh bis spät dudeln die Automaten und auch die jüngsten Gäste werden mit Disney-Spielautomaten an das sehr britische Strandvergnügen herangeführt. In der Hauptsaison sorgen die Tarzanbahn vom Pier zum Strand, Riesenrad und Karussell für zusätzliches Entertainment.

Etwas gepflegter und ruhiger geht es am Alum Chine Beach zu. Vom Hauptpier sind es rund 20 Minuten Fußweg am Strand entlang. Immer im Blick ist die Isle of Purbeck mit der markanten weißen Steilküste. Der namensgebende Alum Chine, die größte der vier Schluchten Bournemouths, verbindet den eleganten Stadtteil Westbourne mit dem Strand. 1920 wurde direkt am Alum Chine ein tropischer Garten angelegt. Dort gibt es Palmen und andere Pflanzen aus aller Welt und schattige Bänke mit Aussicht aufs Meer. Der Eintritt ist frei. Noch ein Stück weiter Richtung Poole beginnt in Sandbanks das Kapitel „Schöner wohnen“. Auf dem schmalen Streifen Land zwischen Poole Harbour und dem offenen Meer badet es sich besonders exklusiv. Denn die Grundstücke zählen zu den teuersten der Welt. Entsprechend schick sind die Villen und prominent deren Besitzer. Den besten Blick auf die Anwesen und Promiklatsch bietet eine Hafenrundfahrt ab Poole.

Ein Königreich für ein Strandhaus

Ein weiteres kostspieliges Pflaster liegt hinter Dünen versteckt im Osten Bournemouths auf der Landspitze Hengistbury Head. Der Wind bläst an der Spitze oft kräftig vom offenen Meer und die Strömung ist entsprechend stark. Vor dem Sprung ins kühle Nass daher in dieser Ecke unbedingt auf Warnhinweise („strong current“) achten. In der Bronzezeit wurde Hengistbury Head als rituelle Stätte genutzt, später entdeckten Siedler dort große Vorkommen an Eisenerz. Heute steht das ganze Areal wegen seiner Artenvielfalt unter Naturschutz. Über Holzstege gelangt man durch die Dünen zum Hügel Warren Hill und hat von oben einen schönen Blick auf Bournemouth, Christchurch und Mudeford Sandbank.

Sofort ins Auge fallen rund 300 bunte Strandhäuschen. Dicht an dicht drängen sie sich auf dem schmalen Streifen Land zwischen Meer und Lagune. Im Sommer verbringen viele Engländer dort mit Familie und Freunden ihren Feierabend oder das Wochenende. Dann rauchen die Grills am Strand und es liegt Barbecue in der Luft. Wer Glück hat, ergattert eines der begehrten Häuschen zum „Schnäppchenpreis“ von gut und gerne 200.000 Pfund. Alternativ bleibt noch die Miete für bis zu 1.000 Pfund pro Woche. Oder man schont den Geldbeutel und macht es sich einfach direkt am Strand gemütlich. Die Aussicht ist nicht zu verachten: Das Wasser ist glasklar und am Horizont liegt die Isle of Wight mit ihren markanten Felsspitzen, den „Needles“.

Holzsteg durch das Naturschutzgebiet Hengistbury Head
Zum Schutz der Dünen führen Holzstege zum Warren Hill
Die vermutlich teuersten Holzhütten stehen auf der Mudeford Sandbank
Klein aber teuer – die Beach Huts auf der Mudeford Sandbank
Blick auf die Isle of Wight von Mudeford Sandbanks
In der Ferne liegt die Isle of Wight mit ihren vorgelagerten "Needles"

Die perfekte Welle

Bournemouths Strand lockt nicht nur Spaziergänger, Sonnenanbeter und Schwimmer. Vor allem Surfer stürzen sich hier in die Wellen. Die meisten versuchen im Stadtteil Boscombe ihr Glück mit der perfekten Welle. Dort ragt ein kleinerer, weniger aufgeregter Pier ins Meer. Halligalli gibt es nicht, dafür einen schönen Blick auf die bunten Strandhäuser und die Küste. Der beste Platz um das Treiben am künstlichen Surf-Reef zu beobachten, ist das Café Urban Reef direkt an der Promenade. Auf der windgeschützten Sonnenterrasse lässt es sich bei Cappuccino, Lemon Loaf und Prosecco gut aushalten. Die begehrten Plätze sind in der ersten Reihe mit freier Sicht aufs Meer.

Preisbewussten Urlaubern bietet der Stadtteil Boscombe in Strandnähe günstigere Übernachtungsmöglichkeiten in Pensionen, B&Bs und Ferienwohnungen. Aldi, Lidl (mit englischem Sortiment) und Sainsburys haben fußläufig alles, was man zur Selbstversorgung braucht. Die vielen Secondhand- und Charityshops laden zur Schnäppchenjagd ein – und hey, es ist Shoppen für den guten Zweck. Mein erstes Konzertkleid aus einem Schaufenster der British-Heart-Foundation begleitet mich bis heute. Die Lage am Rand von Bournemouth ist zudem ideal für Ausflüge zum Hengistbury Head, ins benachbarte Christchurch oder in das ausgedehnte Waldgebiet „New Forrest“. Auf Schleichwegen spart man sich so den obligatorischen Stau im Zentrum.

Surfer am Strand von Boscombe

Ausflüge in die Umgebung

Eine Woche nur am Strand liegen oder Café trinken gehen ist ja ganz schön. Für mich darf ein Urlaub aber gerne etwas aktiver sein. Die folgenden Ziele sind ideal für einen Tagesausflug (mit dem Bus). Der Fitnesslevel ist dabei variabel.

Isle of Purbeck

Von Sandbanks sind Fußgänger, Radfahrer und Pkws in nur vier Minuten auf der Isle of Purbeck und am Naturstrand Shell Bay. Möglich macht das die Kettenfähre, die im 20-Minutentakt die Hafeneinfahrt durchquert. Hinter dem endlos scheinenden Strand beginnt allmählich die Steilküste der Jurassic Coast. Ihr folgt ein gut bezeichneter Wanderweg bis zum Seebad Swanage. Fotostopp ist an der Felsformation Old Harry Rocks. Abkürzen lässt sich die Wegstrecke mit der Buslinie Purbeck Breezer 50, die unweit der Old Harry Rocks hält.

Swanage überrascht mit einer interessanten Mischung an Bekleidungsgeschäften, Souvenirshops, Kunsthandwerk und Deko. In den Cafés warten schon die kleinen Kalorienbomben, die typischen Scones mit Clotted Cream, monströsen Torten und unschuldig kleinen Cupcakes. Danach geht es zum Mittagschlaf an den Strand und dann zum Abkühlen ins herrlich klare Meer. Eine Umkleidekabine gibt es vor Ort leider nicht. Die öffentlichen Toiletten an der Promenade sind aber sehr sauber und ein passabler Ersatz.

Eisenbahnfans können von Swanage aus mit dem historischen Dampfzug bis zum Städtchen Corfe fahren. Die nostalgische Reise dauert 20 Minuten und kostet für Erwachsene als Return-Ticket 15 Pfund. Weiter zurück in der Geschichte führt der Besuch der Ruine Corfe Castle, die über dem kleinen Ort thront. Der National Trust verwaltet das Kulturdenkmal. Mitglieder haben freien Eintritt.

Wandern auf dem Küstenpfad nach Swanage. Spektakulärer Fotostopp sind die Old Harry Rocks
Brownsea Island

Ein schöner Tagesausflug ist der Besuch des Wildlife-Paradies Brownsea Island. Von Sandbanks bringt eine leuchtend gelbe Fähre Tagestouristen auf die unbewohnte Insel im Besitz des National Trusts. Spaziergänger und Familien können in den ursprünglichen Wäldern Wild, Eichhörnchen und Vögel beobachten. Die Steilküste ist ideal für ein Picknick mit Aussicht auf die Purbeck Hills. Je nach Jahreszeit gibt es geführte Touren über die Insel oder Mitmach-Aktionen für Kinder. Für National Trust-Mitglieder ist der Eintritt auf die Insel frei.

Poole

Die Städte Bournemouth und Poole gehen quasi nahtlos ineinander über. Der große Naturhafen ist Dreh- und Angelpunkt für Wassersport. Sei es Windsurfen, Kitesurfen, Rudern oder mit der Yacht um die Inseln schippern. Der Sporthafen ist mit Motor-und Segelbooten gut bestückt. Nachschub an luxuriösen Yachten liefert die Werft Sunseeker im Industriehafen nebenan. Charmant ist Pooles Altstadt, zum Einkaufen eignet sich die Fußgängerzone direkt hinter dem Busbahnhof.

Poole lässt sich gut mit einem Ausflug nach Swanage kombinieren. Vom Hafen aus starten mehrmals täglich Cruises entlang der Jurassic Coast mit Aussteigemöglichkeit in Swanage. Die Route folgt direkt der Küstenlinie und bietet tolle Blicke auf die steil aufragenden weißen Klippen. Magenschwache Seebären sollten eventuell mit Reisetabletten vorbeugen. Der Seegang kann überraschend stark ausfallen und das Ausflugsschiff hüpft dann nur so über die Wellen.

„Geisterschiffe“ vor Mudeford

Coronabedingt liegt die jüngste Attraktion vor der englischen Südküste. Luxusliner der größten Redereien ankern im Ärmelkanal 5 Kilometer vom Strand entfernt u.a. vor Poole, Mudeford und Bournemouth. Die Kreuzfahrtschiffe warten dort mit einer Minimalbesatzung darauf, nach der Krise wieder Passagiere aufnehmen zu dürfen. Bis es soweit ist, sind sie ein magischer Anziehungspunkt für Tagesausflügler, die mit lokalen Fährunternehmen bis auf 50 Meter an die Giganten heranschippern dürfen. Die Touren sind schnell ausgebucht und sichern nach dem Lockdown so manchem kleinen Betrieb die Existenz, wie BBC berichtet. Besonders eindrucksvoll ist der Anblick der beleuchteten Schiffe bei Nacht.

Fernweh und kein Urlaub in Sicht? (So geht es mir eigentlich die meiste Zeit…) Dann versuch doch, dir mit diesen Ideen die Wartezeit zu verkürzen und hol dir England einfach nach Hause.